Rheindigital LogoRheindigital Logo

Agentur- und Marketingsprech 2025: Ein Jahresrückblick in Buzzwords

spotlight
Agentur- und Marketingsprech 2025: Ein Jahresrückblick in Buzzwords Cover

Oder: Wie wir ein Jahr lang proaktiv Synergien gehoben haben

Das Jahr geht dem Ende zu. Zeit für Jahresrückblicke, Learnings (früher: Erkenntnisse) und natürlich für den obligatorischen Blick auf das, was war. Während andere Branchen auf Quartalszahlen und Produkt-Launches zurückblicken, haben wir etwas viel Wertvolleres geschaffen: neue Buzzwords.

2025 war ein Jahr voller sprachlicher Höhenflüge. Wir haben nicht einfach gearbeitet, wir haben orchestriert. Wir haben keine Probleme gelöst, wir haben Pain Points adressiert. Und während die KI-Revolution über uns hereinbrach, haben wir nicht etwa ChatGPT benutzt, sondern AI-powered Content Creation betrieben.

Es ist Zeit für einen humorvollen Blick in die Marketinglandschaft. Zeit, uns selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Zeit, zuzugeben, dass wir alle Teil dieser wunderbaren, manchmal absurden Welt aus Anglizismen, Denglisch und Begriffen sind.

Begleitet uns durch einen ganz normalen, fiktiven Tag in einer Content-Marketingagentur. Alles, was ihr lest, ist wahr. Nun ja, das meiste. Vielleicht. Auf jeden Fall haben wir es alle schon mal gehört. Oder selbst gesagt. (Ja, wir auch.)


Szene 1: Die Morgen-E-Mail

Es ist 9 Uhr morgens, erstes Meeting des Tages. Der Kaffee ist noch warm, die Motivation moderat, die Buzzword-Dichte: bereits kritisch.

„Liebes Team, wir müssen heute unbedingt auf Augenhöhe miteinander kommunizieren...“ (Übersetzung: Gestern lief's nicht so gut mit der Kommunikation. Vermutlich auf Knöchelhöhe.) „...um holistische Quick Wins zu generieren.“

Moment. Stopp. Holistische Quick Wins generieren? Entschlüsseln wir das:

  • Holistisch = Wir haben keinen konkreten Plan, schauen aber irgendwie aufs Ganze
  • Quick Wins = Kleine Aufgaben, die trotzdem drei Wochen dauern werden
  • Generieren = Machen, aber das klingt nicht mehr bedeutend genug

Dekodiert: „Lasst uns heute ein paar Kleinigkeiten irgendwie erledigen.“


Szene 2: Das Strategie-Meeting

Leonie aus dem Content-Team: „Wir sollten die Low-Hanging Fruits ernten und dabei reichweitenstarke Assets kreieren. Vielleicht ein paar Memes?“

Der Obstkorb des Marketings! Low-Hanging Fruits klingen nach landwirtschaftlichem Großprojekt, gemeint sind aber Dinge, die einfach umzusetzen sind. Und reichweitenstark? Das kann 500.000 Views bedeuten. Oder 27 Likes von Kolleg:innen. Liegt im Auge des Betrachters. Memes waren einst lustige Bilder im Internet. Heute: „virale Content-Assets im Meme-Format zur Steigerung der organischen Reichweite". Klingt strategischer, bleibt aber: ein witziges Bild mit Text drauf.

Assets? Früher sagten wir Dateien. Oder Bilder. Oder Dokumente. Heute? Alles ein Asset. Das Word-Dokument? Asset. Das Foto vom Firmenhund? Asset. Die Luft im Büro? Potenzielles Asset.


Markus aus der Strategie: „Absolut! Wir müssen Synergien heben und granular vorgehen.“

Synergien heben. Als wären Synergien schwere Möbelstücke, die man gemeinsam anhebt. Können Synergien eigentlich auch liegen bleiben? Sich weigern, gehoben zu werden? Fragen über Fragen.

Granular klingt nach wissenschaftlicher Detailarbeit. Wird gerne benutzt, um zu zeigen, dass man sehr präzise arbeitet, auch wenn der Blick ins Projekt etwas anderes vermuten lässt.


Julia aus dem Design: „Ich sehe da echte Pain Points beim Touchpoint der Customer Journey.“

Die Dreifaltigkeit des Marketingsprechs!

  • Pain Points = Probleme, aber weniger negativ! Häufig dort verwendet, wo es gar keine echten Schmerzen gibt. Beispiel aus der Praxis: „Der Pain Point unserer Kantine ist, dass es mittwochs keine Bowls gibt.“
  • Touchpoints = Berührungspunkte. Manchmal sind's echte Kontaktmomente mit der Marke. Manchmal aber auch einfach: alles. Post-it an der Wand? Touchpoint. Kaffee in der Küche? New Touchpoint Experience.
  • Customer Journey = Die Reise des Kunden. Muss natürlich orchestriert werden. Klingt nach Mozart. Ist meistens aber ein ziemlich unaufgeräumter Trampelpfad.


Die Chefin: „Exzellent! Lasst uns einen Deep Dive machen!“

Ein Deep Dive: tief eintauchen! Meistens 30-Minuten-Meetings, so tief wie eine Regenpfütze. Man surft auf der Oberfläche, denn wer weiß, welche Untiefen sonst auftauchen.


Szene 3: Der Pitch beim Kunden

Heute gehen wir pitchen. Im Rheinland würde man sagen: Wir gehen jemanden pitschen, also quetschen, kneifen. Erstaunlich passend, wenn man bedenkt, wie eng manche Budget-Verhandlungen werden ...

Wir also vor dem Kunden: „Unsere Value Proposition basiert auf disruptiven Ansätzen, mit denen wir Awareness schaffen und durch AI-powered Content Creation einen Paradigmenwechsel einleiten.“

Puh. Atmen wir kurz durch:

  • Value Proposition = Unser Angebot. Ein herrlich dehnbarer Klassiker, perfekt für jeden Pitch, der 90 % PowerPoint und 10 % Hoffnung enthält.
  • Disruptiv = Es stört irgendwas. Alles ist heute disruptiv. Neue Schriftart? Disruptiv. Andere Überschrift? Mega-disruptiv.
  • Awareness schaffen = Bekannt machen. Aber das wäre wohl zu einfach gedacht.
  • AI-powered Content Creation = Wir schreiben mit ChatGPT. Klingt aber nach Zukunftslabor.
  • Paradigmenwechsel = Große Veränderung! Kommt immer dann zum Einsatz, wenn eigentlich nur eine neue Version von irgendwas veröffentlicht wurde.


Der Kunde: „Und wie sieht es mit Buy-in aus?“

Buy-in = „Sind alle einverstanden?“ Aber das klingt zu direkt. Mit Buy-in können wir so tun, als wäre das schon geklärt.


Wir: „Wir werden alle Verticals alignen und ein Ecosystem schaffen, in dem wir proaktiv agieren.“

  • Verticals = Branchen. Aber im schicken Business-Outfit.
  • Alignen = Abstimmen, angleichen. Berühmtes Denglisch, das inzwischen gern in vielen Bereichen verwendet wird – ohne die Bedeutung zu kennen.
  • Ecosystem = Zusammenstellung von Tools, Partnern oder – seien wir ehrlich – unorganisierten Ablagestrukturen.
  • Proaktiv = Das Allzweckwort für alles, was nicht reaktiv ist. Kann man überhaupt aktiver als proaktiv sein? Prä-proaktiv? Hyper-proaktiv? Die Wissenschaft schweigt.
Mehrere Personen an einem großen Tisch mit Laptops, im Hintergrund Sprechblasen und ein Icon für Idee

Szene 4: Die KI-Revolution (aka = as known as: „Das haben wir mit KI gemacht“ )

2025 war das Jahr, in dem KI jeden Meeting-Bingo-Zettel gesprengt hat. Plötzlich war alles AI-powered, intelligent automatisiert und voller smarter Workflows.

Tim aus der Tech: „Ich habe gestern Abend noch ein bisschen gepromptet und dabei Prompt Engineering betrieben.“

Ein neues Verb ist geboren! Prompten. Früher stellten wir Fragen. Heute prompten wir. Und wenn wir richtig gut darin sind, betreiben wir Prompt Engineering (= wir stellen besonders gute Fragen) oder sogar Prompt Optimization (= wir stellen noch bessere Fragen).


Sarah aus dem Content: „Die KI hat aber halluziniert.“

Halluzinieren = wenn die KI Quatsch erzählt. Aber „Quatsch erzählen“ klingt ja nun wirklich nicht wissenschaftlich genug.


Tim: „Kein Problem, wir setzen auf Human in the Loop.“

Übersetzung: Jemand schaut nochmal drüber. Klingt aber viel besser nach hochkomplexem Qualitätssicherungsprozess.


Die Chefin: „Wichtig ist, dass wir Responsible AI einsetzen und Natural Language Processing nutzen.“

  • Responsible AI = Prinzipien für den KI-Einsatz: verantwortungsbewusst, intelligent und manchmal chaotisch. Wie jedes gute Büroteam.
  • Natural Language Processing = Die KI versteht Deutsch. Manchmal. An guten Tagen.


Jemand fragt: „Wie viele Tokens brauchen wir dafür?“

Tokens: früher waren das Münzen im Spielsalon. Heute sind es Textbausteine, die KI-Modelle verarbeiten. Klingt wichtig, ist wichtig, versteht aber (noch) kaum jemand.


Und dann, der Klassiker 2025: „Das haben wir mit KI gemacht!“

(Auch wenn's nur die Rechtschreibprüfung war.)


Szene 5: Das Jahresabschluss-Meeting

Die Chefin: „Wir haben dieses Jahr wirklich disruptiv gearbeitet und durch agiles Skalieren echte Thought Leadership bewiesen.“

Entwirren wir das:

  • Agiles Skalieren = Beeindruckendes Jonglieren mit ein paar To-dos
  • Thought Leadership = LinkedIn-Postings, die überraschenderweise erstaunlich gut ankamen


Marketing: „Wir konnten durch Storyliving einen Resonanzraum schaffen und dabei unsere KPIs schärfen.“

  • Storyliving = Storytelling war nicht mehr genug. Jetzt muss man Geschichten leben. Oder wenigstens auf der Bühne performen.
  • Resonanzraum schaffen = Klingt stark spirituell. Bedeutet meist: „Wir brauchen mehr Kommentare auf LinkedIn.“
  • KPIs schärfen = Nie hat jemand gesehen, wie diese KPIs geschärft werden. Aber sie werden ständig stumpf.


Jemand aus der Runde: „Wir haben auch snackable Content produziert!“

Snackable Content: kurze, leicht verdauliche Inhalte. Die Marketing-Diät sozusagen. Inzwischen wird aber selbst ein 15-Minuten-Video als „snackable" bezeichnet. Für Marketingmenschen ist offenbar alles ein Snack. Außer der eigene Arbeitstag.


HR: „Und wir konnten unsere Mitarbeitenden empowern!“

Empowern = befähigen, stärken. Gibt Menschen ein gutes Gefühl. Bedeutet oft aber auch: „Könntest du vielleicht noch ein weiteres Projekt übernehmen?“


Der tragische Held: „Generieren

Moment. Es gibt einen Begriff, der besondere Aufmerksamkeit verdient. „Wir generieren.“

Ach ja? Tun wir das? Generieren klingt nach Kraftwerk, nach Strom erzeugen, nach hochkomplexen Prozessen. Früher schrieben wir Texte, entwickelten Ideen. Heute? Wir generieren sie. Wie eine Maschine. Wie ein Algorithmus.

Besonders lustig wird es, wenn Menschen dieses Wort mit gerieren verwechseln (ja, passiert tatsächlich!). „Gerieren" bedeutet „sich benehmen" oder „sich gebärden". Man kann sich wichtig gerieren. Man kann sich lächerlich gerieren. Aber Content? Den generiert man. Oder schreibt ihn einfach. Geht auch.

Der Begriff zeigt perfekt, was mit unserer Sprache passiert ist: Selbst das simple „erstellen" oder „machen" reicht nicht mehr. Es muss produziert, kreiert, fabriziert oder eben generiert werden. Dann klingt es nach Hochleistung.

Schon Wolf Schneider, der Deutsch-Papst höchstpersönlich, hasste das Verb „kreieren" in den 80ern am meisten, weil es als „krei-ern" gelesen wird und damit jeden Lesefluss zerstört. Hat aber niemanden davon abgehalten, fröhlich weiterzukr🥚eren.

🎁Bonus: Die besten Kombinations-Monster 2025

Manche Begriffe werden kombiniert erst zu echten Game-Changern (sorry, mussten wir):

1. „Wir müssen proaktiv Low-Hanging Fruits hebeln und dabei granular vorgehen.“
=> Übersetzung: Wir sollten die einfachen Sachen machen. Irgendwie genau.

2. „Durch AI-powered Prompt Engineering schaffen wir human-centered Content in unserem Ecosystem.“
=> Übersetzung: Wir fragen ChatGPT nach Texten für Menschen.

3. „Lasst uns die Customer Journey orchestrieren und dabei Synergien in den Verticals alignen.“
=> Übersetzung: ... ehrlich gesagt, keine Ahnung.

4. „Wir generieren reichweitenstarke Assets durch disruptive Storyliving-Touchpoints.“
=> Übersetzung: Wir posten irgendwas.

5. „Mit unserem holistischen Deep Dive schaffen wir Buy-in für die Value Proposition.“
=> Übersetzung: Wir reden viel und hoffen, dass alle zustimmen.

Fazit: Wir sind alle schuldig

Hand aufs Herz: Wir haben diese Begriffe alle schon benutzt. Manche aus Gewohnheit, manche aus Notwendigkeit (der Kunde erwartet es!), manche, weil „machen“ einfach nicht wichtig genug klang.

Aber am häufigsten? Aus purer FOMO, Fear of Missing Out. Wenn alle um uns herum „Synergien heben", wollen wir doch nicht die armen Würstchen sein, die noch altmodisch „zusammenarbeiten". Das wäre ja kompetenztechnisch gesehen ein totales Offside. Oder wie wir heute sagen würden: nicht aligned mit dem Zeitgeist-Ecosystem.

Agentur- oder Marketingsprech ist wie Knoblauch essen: Jeder riecht ihn bei anderen, bei sich selbst fällt er kaum auf. Aber hey, solange wir darüber lachen können und uns bewusst ist, was wir da eigentlich sagen – oder eben nicht sagen – ist doch alles gut.

Lasst uns also 2026 proaktiv angehen, holistische Ansätze verfolgen und dabei richtig disruptiv sein.

Oder, anders gesagt: Lasst uns einfach gute Arbeit machen und Joy dabei haben. Entschuldigung: Spaß! 😊


🏆 Die Marketingsprech-Awards 2025

Oder: Wir verleihen Preise an Wörter, die wir selbst benutzen
 
🥇 Platz 1: Das Wort mit dem besten Wichtigkeits-Boost

  • Gewinner: Generieren. Verleiht dem alltäglichen „entwickeln" einen Hauch von Wissenschaft und Präzision. Content wird nicht getippt, er wird generiert. Wie Energie. Nur mit mehr Kaffee.

🥈 Platz 2: Bestes Denglisch des Jahres

  • Nominiert: meeten, schedulen, pitchen, canceln, gelikt, gescreenshottet
  • Gewinner: schedulen. Weil selbst die Rechtschreibprüfung aufgibt. Wird zu „scheddulen" verdreht und hat mehr Schreibvarianten als Buchstaben.

🥉 Platz 3: Das Allround-Talent unter den Begriffen

  • Gewinner: Asset. Früher: Dateien. Heute: ALLES. Sogar die Kaffeemaschine. Die eierlegende Wollmilchsau der Begriffe.

Und zum Schluss:

🎮 Bonus: Das ultimative Marketing-Bullshit-Bingo 2025

Druckt euch diese Karte aus für euer nächstes Meeting:

BINGO





Synergien heben

Low-Hanging Fruits

Deep Dive

Proaktiv

AI-powered

Pain Points

Touchpoint

Quick Win

Alignen

Prompten

Assets

FREIES FELD

Generieren

Ecosystem

Human-centered

Disruptiv

Buy-in

Storyliving

Hebeln

KPIs schärfen

Holistic

Awareness

Thought Leadership

Resonanzraum

„Das haben wir mit KI gemacht“

Spielregeln:

  • Immer wenn ein Begriff fällt, Feld markieren
  • Freies Feld gilt automatisch (dein Geschenk fürs Durchhalten)
  • Erste Reihe voll => „BINGO!“ rufen
  • Gewinn: Die Gewissheit, dass ihr nicht allein seid


PS: Dieser Artikel wurde übrigens völlig human-centered erstellt, mit einem holistischen Ansatz und granularer Recherche. Wir haben proaktiv die Low-Hanging Fruits geerntet und dabei Synergien zwischen Humor und Wahrheit generiert. Alle erwähnten Personas wurden selbstverständlich strategisch frei erfunden, um unsere Storytelling-Experience zu optimieren.

PPS: Okay, wir haben ChatGPT zum Korrekturlesen genutzt. Also doch AI-powered. Ihr kennt das ja.


Illustrationen: https://de.freepik.com/

Wir wünschen euch erfolgreiche Jahresend-Sprints, regenerative Feiertags-Deep-Dives und disruptive New-Year-Vibes!

Übersetzt: Kommt gut durch die letzten Wochen, genießt die Feiertage und habt einen fantastischen Start ins neue Jahr!

Wir sehen uns 2026 – aligned, empowered und ready to generate. Oder so.🎄✨


Mehr INSIGHTS von unseren Rheindigital-Expert:innen:


Lust, gemeinsam Geschichte zu schreiben?
* Pflichtfelder