Langfristige Techniktrends und aktuelle Designströmungen verändern den Look von Websites. Nicht jedem Wandel müssen Sie folgen – unser User Experience Designer Stefan Schmidt erläutert die Gründe.
Welche Trends im Webdesign sollten Unternehmen auf jeden Fall berücksichtigen?
Die größere Bandbreite. Sie erlaubt eine außerordentliche kreative Vielfalt, um visuell, audiovisuell oder gar per Virtual Reality zu erzählen. Das können animierte Grafiken oder Schriften sein, Bewegtbild, Avatare oder Gamification. Die Bandbreite ist so groß, dass Contentmarketing, Web-, UX- und Motion Design eng zusammenarbeiten sollten, um den Gesamtauftritt und den Content sinnvoll zu konzipieren. Und zwar auf eine Weise, dass dem hohen Aufwand ein klarer Nutzen für die User und für den Marketingerfolg gegenübersteht.
Darüber hinaus ist Mobile First ein unumkehrbarer Trend. Er hat Folgen für das gesamte Design einer Website – ebenso wie für einzelne Elemente wie Grafiken, Bilder, Animationen und Interaktionsangebote. Die Website muss auf dem Handy optimal aussehen und sich schnell laden. Jeder Informationsbaustein muss auf dem kleinen Bildschirm erkennbar, jede Navigation gut bedienbar sein. Aus meiner Sicht sollte die Desktop-Ansicht ebenfalls ästhetischen Ansprüchen genügen. Da ist Designkompetenz gefordert!
Nicht alles, was auf dem Handy praktisch und attraktiv wirkt, hat auch eine Desktop-Ästhetik. Auf größeren Bildschirmen kann der mobile Minimalismus klobig und roh wirken. Die Herausforderung fürs Design ist, dies auszubalancieren.Stefan Schmidt, User Experience Designer, Rheindigital
Was ist außerdem angesagt?
Aktuell kommen einige Designströmungen zusammen, die an sich nicht neu und noch nicht mal in der Internetwelt entstanden sind. Die Zeit ist offenbar reif, sie wiederzuentdecken. Dazu zählt das Memphis-Design, das vor mehr als 40 Jahren in Mailand entstand. Es war eine Auflehnung gegen das Funktionale, Strenge, Klassische. Es drückte sich bunt und formsprengend aus und war auch nicht immer praktisch. Den Memphis-Look sehen wir heute immer öfter auf Websites, zum Beispiel bei knalligen Startseiten, dem Abweichen von gridgerechten Templates und bei außergewöhnlichen Produktinszenierungen.
Manchmal sieht man auch genau das Gegenteil…
Richtig, der Minimalismus begnügt sich beispielsweise mit schwarzer Schrift auf weißem Grund, lässt Bilder und Bewegtbild kaum oder nur per Interaktion auftauchen und verzichtet auf alles, was ablenken könnte. Das ermöglicht es, sich auf den Content zu konzentrieren. Seiten, die so designt sind, haben keine Probleme mit der Ladezeit. Zusammen mit einer intelligenten Navigation und sparsamen, wirkungsvollen Effekten kann Minimalismus spannend und anspruchsvoll sein – und damit alles andere als langweilig.
Wie sollten Unternehmen sich entscheiden, wenn sie Ihren Auftritt erneuern möchten und sich diesen gegensätzlichen Webdesign-Strömungen gegenübersehen?
Es ist gut, solche Design-Moden zu kennen. Und je nachdem, wie wichtig es für das Unternehmen ist, hip zu sein, sollte es sich ihrer bedienen. Dabei gibt es jedoch ein paar Leitfragen zu beachten: Passt dieses Design zu meiner Botschaft? Können meine Zielgruppen damit etwas anfangen? Ist trotz des Redesigns eine gute Usability gewährleistet? Und wie strapazierfähig ist die Corporate Identity? Nicht zuletzt ist eine Mode eine Mode. Wenn ihr zu viele nacheifern, ist die Unverwechselbarkeit dahin.
Gibt es Anwendungsfälle, in denen man etwas mutiger sein sollte?
Natürlich. Wenn ein Unternehmen Microsites oder Landingpages für einen genau definierten Zweck und eine bestimmte Teilzielgruppe entwirft oder eine ganz neuartige Kampagne plant, soll das Design durchaus aus dem Rahmen fallen. Wenn das Kommunikationsteam neue Maßstäbe setzen möchte, ja, dann braucht es etwas Mut. Dafür wird der neue Auftritt zum Gesprächsthema. Er bekommt positive Aufmerksamkeit, und die Initiatorinnen und Initiatoren erweitern ihren kreativen Spielraum.
Welche Rolle spielt die Emotion beim Design?
Aus meiner Sicht ist die Emotion der Funktion ebenbürtig. Jede Website bringt ein Nutzungserlebnis und damit Emotionen hervor – am besten angenehme. Dabei spielen Farben, Motive, Interaktion und Bewegtbild eine Rolle. In der Contenterstellung und im Design gilt: Die Bedürfnisse der Zielgruppen müssen klar sein. Dies schließt emotionale Bedürfnisse ein. Wer am Design der Website beteiligt ist, braucht Userdaten und Trendkenntnisse. So hat die Corona-Pandemie zielgruppenübergreifende emotionale Bedürfnisse erzeugt, beispielsweise nach Positivität. Wenn man ein Webdesign konzipiert, benötigt man außerdem Wissen darüber, in welcher emotionalen Lage die jeweilige Zielgruppe in welcher Phase der Customer Journey ist. Wer eine Kreuzfahrt bucht, befindet sich in einer anderen Stimmung als Menschen, die Trauerfloristik benötigen.
Es ist förderlich, Moden und ungewöhnliche Formsprachen aufzugreifen, wenn diese zugleich dem Unternehmenszweck und der Usability dienen. Aus meiner Sicht gilt das folgende Sowohl-als-auch: Design follows function, and design follows emotion.Stefan Schmidt, User Experience Designer, Rheindigital
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